HPV-(Humane Papillomaviren) Diagnostik: keine Empfehlung für Laboruntersuchungen bei Männern

31.07.2021 | HPV-(Humane Papillomaviren) Diagnostik: keine Empfehlung für Laboruntersuchungen bei Männern

Kurzfassung


Hintergund

Gesundheitserhaltende Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen gehören zu unseren Kernkompetenzen. Sowohl im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen als auch bei der Abklärung von Geschlechtskrankheiten werden wir von unseren männlichen Patienten immer wieder um die Durchführungen einer Diagnostik auf humane Papillomaviren (HPV) gebeten. Oft sind es die Partnerinnen, die eine HPV-Diagnostik wünschen, beispielsweise dann, wenn eine HPV-bedingte Veränderung der Gebärmutterhalsschleimhaut festgestellt wurde. Gelegentlich werden Männer auch von ihren (neuen) Partnerinnen vor dem ersten ungeschützten Geschlechtsverkehr mit der Bitte zum Urologen geschickt, eine umfangreiche Diagnostik auf sexuell-übertragbare Erkrankungen einschließlich HPV-Infektion vornehmen zu lassen.


Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei Männern eine Untersuchung auf HPV - sei es mittels Blutentnahme und/oder einen Abstrich des Genitales sinnvoll ist.

Unter Berücksichtigung des aktuellen (2021) virologischen, urologischen und gynäkologischen Wissenstandes ist diese Frage - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - klar mit Nein zu beantworten. Weder die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), noch das Robert Koch-Institut (RKI), die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG) oder das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg empfehlen eine routinemäßige HPV-Diagnostik beim Mann. Ein Nachweis von HPV-Genmaterial ist zwar technisch möglich, sollte aber Einzelfällen und speziellen wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten bleiben.


Warum ist eine HPV-Diagnostik beim Mann nicht empfehlenswert? Fakten zu HPV

HPV-Infektionen kommen bei beiden Geschlechtern sehr häufig vor. Sie führen jedoch nur bei einem kleinen Teil der Infizierten zu Symptomen mit möglichem Krankheitswert. Diese umfassen in erster Linie Haut- und Schleimhautveränderungen. Im Rahmen einer fachurologischen Vorsorgeuntersuchung wird gezielt nach Veränderungen durch HPV gesucht. Eine gründliche „Inspektion“ (also das Betrachten, teils unter Verwendung einer Lupenbrille) des männlichen Genital- und Analbereiches ist die einzig sinnvolle und gleichzeitig auch völlig ausreichende Untersuchung im Hinblick auf die Diagnostik HPV-bedingter Erkrankungen. Findet der Urologe oder Dermatologe bei der Untersuchung Veränderungen, die auf eine HPV-Infektion hindeuten, werden die Auffälligkeiten entsprechend fachärztlichem Standard behandelt bzw. entfernt.

Eine HPV-Diagnostik bei einem Mann, der keinerlei auf HPV-verdächtigen Haut- oder Schleimhautveränderungen aufweist, ist zwar prinzipiell möglich, ist jedoch mit unverhältnismäßigen diagnostischen Ungenauigkeiten sowie Interpretationsschwierigkeiten behaftet und bleibt selbst bei einem positivem Testergebnis ohne Konsequenz. Dies bedeutet, daß selbst im (theoretischen) Falle eines Nachweis von HPV-Virus- bzw. Genmaterial (HPV-DNA) keine Behandlung notwendig ist, da ein solcher Befund in der Regel keinerlei Krankheitswert hat. Genau genommen sollte hier auch nicht von einer HPV-Infektion (mit Virusvermehrung im Gewebe und Gewebereaktion), sondern von einem „HPV-positiven DNA-Nachweis“ (in der Regel keine Virusvermehrung) gesprochen werden. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß es bislang keine zugelassene HPV-spezifische Behandlung (z.B. mittels Virostatika, also gegen Viren gerichtete Medikamente) gibt.

Es gibt über 170 verschiedene HP-Viren, die bei einem entsprechenden Kontakt in die Haut und Schleimhaut des Genito-Analbereiches, der Mundhöhle und des Rachens eindringen und dort die untereste Zellschicht „befallen“ können. In 9 von 10 Fällen hat dies keinen Krankheitswert. Insofern gibt es keine Rationale für einen Abstrich aus unauffälliger (Schleim-)Haut.

Nach derzeitigem Kenntnisstand sind für den Menschen folgende HPV-Typen relevant: HPV 6 und 11 (Niedrigrisikoviren) sowie HPV 16, 18, 31, 33, 45, 52, 55 und 58 (Hochrisikogruppe).

Ano-genitale HPV-Infektionen sind bei Männern und Frauen sehr weit verbreitet. Schätzungen zufolge infizieren sich bis zu 90% aller sexuell aktiven Menschen mindestens ein Mal im Lauf ihres Lebens mit HPV, meistens bereits bei den ersten sexuellen Kontakten. Bei 90% der Betroffenen beseitigt das Immunsystem diese Viren innerhalb von 1-2 Jahren. In rund 10% aller Infektionen verbleiben die Viren in Haut und Schleimhaut der Geschlechtsorgane und/oder des Darmausganges, man spricht hier von einer chronischen oder auch „persistierenden“ Infektion. Nur bei einem Teil der Patienten führt eine bleibende Infektion nachfolgend zu Veränderungen wie gutartigen Feigwarzen (sogenannte Condylome) oder zu Tumorvorstufen an den äußeren und inneren Geschlechtsorganen oder des Enddarms/Anus. Langfristig können aus solchen Vorstufen über einen Zeitraum von Jahren durch unkontrolliertes Wachstum der HPV-befallenen Zellen Krebserkrankungen entstehen. HPV-bedingte bösartige Tumoren sind jedoch im Verhältnis zur Zahl der Menschen mit HPV-Kontakten sowie passageren HPV-Infektionen ohne Krankheitwert sehr selten.

Bei Frauen werden regelmäßige Früherkennungsmaßnahmen des Gebärmutterhalskrebses und seiner Vorstufen („Dysplasie“ und „zervikale intraepitheliale Neoplasie“) mittels Entnahme eines Abstrichs/Zytologie empfohlen; ergänzend wird bei auffälligen Befunden ab dem 30. Lebensjahr in 3 jährigem Abstand ein HPV-Test auf Hochrisikotypen durchgeführt.

Weltweit werden schätzungsweise 5% aller bösartigen Tumorerkrankungen durch HPV ausgelöst. Der mit Abstand häufigste durch HPV-bedingte Tumor ist Gebärmutterhalskrebs („Zervixkarzinom“). Weniger als 1 von 100 Frauen, die mit einem Hochrisikotyp infiziert sind, erkrankt an Gebärmutterhalskrebs. Zwei Drittel der Gebärmutterhalskrebse sind auf HPV-Hochrisikotypen 16 und 18 zurückzuführen. Weitere bösartige Tumore im Zusammenhang mit HPV sind Vulva-, Vaginal-, Penis-, Anal- und Oropharyngealtumore (=Kopf/Halstumore).

Zur Situaton in Deutschland: Das Robert-Koch-Institut berichtet jährlich über etwa 8.000 neue Fälle HPV-bedingter Krebserkrankungen; betroffen sind ca 6.300 Frauen (davon 4.700 Fälle von Gebärmutterhalskrebs) und rund 1.700 Männer (davon 800 Mund-/Rachen-, 650 Anal- und 250 Peniskarzinome). Weiterhin werden jährlich rund 180.000 Fälle von genito-analen Feigwarzen neu diagnostiziert.

Welche Möglichkeit gibt es , sich vor einer Infektion mit HPV zu schützen? Kondome können bei der Übertragung von HPV schützen, bieten jedoch keine sicheren Schutz vor HP-Viren. Die wirksamste Möglichkeit vor einer HPV-Infektion und deren Folgen ist die HPV-Impfung mit einem Neunfach-Impfstoff (z.B. Gardasil 9). Den besten Impfschutz gewährleistet eine Impfung vor der Aufnahme des ersten Sexualkontaktes. Seit 2018 gilt die Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut auch für Jungen im Alter von 9-17 Jahren. Eine Impfung nach dem 18. Lebensjahr und/oder nach stattgehabten sexuellen Kontakten ist prinzipiell möglich und kann von Nutzen sein, ist jedoch bezüglich des zu erwartenden Impfschutzes u.U. erheblich weniger wirksam; sie wird ab dem 26. Lebensjahr von den meisten medizinischen Fachgesellschaften nicht mehr empfohlen. Davon abweichend rät die U.S amerikanische FDA (Food and Drug Administration) seit 2018 zu einer Neunfach-Impfung für beide Geschlechter bis zum 45. Lebensjahr.


„Die HPV-Impfung ist eine historische Chance, bestimmte Krebserkrankungen zu verhindern. Unsere Kinder sollten davon profitieren - Jungen wie Mädchen“

Prof. Dr. Harald zur Hausen, Nobelpreisträger und Wegbereiter der HPV- Impfung, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg


Wie sicher ist die HPV-Impfung? Seit ihrer Einführung im Jahr 2007 wurden über 350 Millionen Menschen gegen HPV weltweit geimpft. Es liegt mittlerweile hohe Evidenz vor, daß die für beide Geschlechter zugelassene Neunfach-Impfung (gegen HPV 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58) mehr als 90% HPV-bedingter Tumoren, deren Vorstufen sowie die Entstehung von Condylomen bei gleichzeitig sehr hoher Sicherheit und Verträglichkeit verhindern kann. Fazit: HPV-Erkrankungen sind „impfpräventabel“, also durch eine rechtzeitige Impfung wirksam zu verhindern. Die Kosten der Impfung werden bei beiden Geschlechtern bis zum 18. Geburtstag von den Krankenkassen übernommen.

Bei bereits sexuell aktiven Menschen sowie ab dem vollendeten 26. Lebensjahr kann geimpft werden (siehe oben), es soll zur Entscheidungsfindung laut Leitlinien des Arbeitskreis der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der Medizin (AWMF) jedoch keine HPV-Diagnostik erfolgen. Die Leitlinie stellt hierzu folgendes fest: „Eine umfassende HPV-Testung in der Altersgruppe ab 18 Jahren würde zahlreiche passagere Infektionen identifizieren, die keine klinische Bedeutung besitzen und deren Nachweis zu einer erheblichen Verunsicherung der Betroffenen und der behandelnden Ärzte führen würde“. Weiterhin gibt es auch dahingehend einen Konsens, daß eine HPV-Impfung mit dem Ziel einer Therapie bei bestehender HPV-assoziierter Veränderung nicht durchgeführt werden sollte.


Bei meinem Partner/meiner Partnerin wurden HPV-bedingte Veränderungen festgestellt. Was bedeutet das für mich?

In diesem Fall sollte der Partner/die Partnerin entsprechend fachärztlich urologisch oder gynäkologisch untersucht und im Falle eines Befundes angemessen bzw. nach fachärztlichem Standard behandelt werden. Ein Test beim Mann wird - wie ausführlich dargelegt - nicht empfohlen.


Was bedeutet es für mein/unser Sexualleben, wenn bei mir/meiner Partnerin HPV nachgewiesen wurde?

Grundsätzlich kann es bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr zu einer Übertragung von bzw. Infektion mit HPV kommen. In einer festen Partnerschaft ist es sogar sehr wahrscheinlich, daß eine HPV-Infektion bei beiden Partnern vorhanden ist. Eine Konsequenz wird sich daraus nicht ergeben. Wie ausührlich dargelegt, verläuft eine HPV-Infektion meist unbemerkt, heilt von alleine ab und hat keine gesundheitliche Konsequenzen für den Betroffenen.


Bei mir/meinem Partner*in wurde HPV bzw. eine Veränderung durch HPV festgestellt. Ist dies Anlaß, Vermutungen über außerpartnerschaftliche Sexualkontakte bzw. Untreue anzustellen?

Hier appellieren wir an äußerste Zurückhaltung vor unbegründeten Vermutungen. Ob, wann, durch wen, bei welcher Gelegenheit, womöglich im Rahmen früherer (jahrelang zurückliegender) Sexualkontakte, es zu einer HPV Infektion kam, kann mit keiner diagnostischen Methode oder auch nur mit annähernder Sicherheit nachvollzogen werden.


Referenzen/Literatur

  1. Robert Koch-Institut; www.rki.de (Humane Papillomaviren/ RKI Ratgeber)
  2. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 26 (Juni 2018)
  3. AWMF (Arbeitskreis der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der Medizin) Leilinie: "Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien"; Registernummer 082 - 002; https://www.awmf.org
  4. Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ); www.krebsinformationsdienst.de
  5. Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) - HPV-Portal; www.hpv-portal.de
  6. Deutsche STI-Gesellschaft; www.dstig.de
  7. Projektgruppe Zervita. www.zervita.de

Prof. Dr. P. Rubenwolf, FEBU, FEAPU, MSc

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