Wann ist eine Prostatabiopsie notwendig?

Diese Frage wird mir von Patienten immer und immer wieder gestellt. Daher möchte ich die Frage hier ausführlich beantworten.
Zunächst einmal gibt es unterschiedliche Situationen in welchen diese Frage aufkommen kann:

1. Die bisherige Diagnostik (beispielsweise PSA Wert, Tastuntersuchung der Prostata, MRT der Prostata) zeigt auffällige Befunde.

2. Eine bereits durchgeführte Biopsie hat keinen Krebs in der Prostata gezeigt.

3. Eine sogenannte active surveillance (aktive Überwachung) bei einem in einer Biopsie nachgewiesenen Prostatakarzinom wird durchgeführt.

4. Eine standardisierte Biopsie hat ein Prostatakarzinom ergeben.

Wahrscheinlich gibt es noch weitere Situationen in denen die Frage nach einer Biopsie der Prostata aufkommen kann, jedoch sind die oben aufgezählten Situationen sicherlich die häufigsten.

Generell ist zur Notwendigkeit einer Prostatabiopsie zu sagen, dass kein seriöser Arzt einem Patienten eine Therapie eines Prostatakarzinoms ohne eine feingewebliche (histologische) Sicherung der Diagnose anbieten würde. Die Konsequenzen einer Krebstherapie sind so weitreichend, dass zwingend die histologische Sicherung der Diagnose gefordert wird.

In der Situation wo die bisherige Diagnostik auffällige Befunde zeigt muss man tatsächlich genau abwägen zu welchem Zeitpunkt der Diagnostik eine Biopsie gerechtfertigt ist. Die aktuelle Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms sagt hierzu in der Empfehlung 3.7:

Im Rahmen der Früherkennung soll eine Prostatabiopsie bei Vorliegen von mindestens einem der folgenden Kriterien empfohlen werden:

Bei jüngeren Patienten kann individuell auch bei niedrigeren PSA-Werten eine Biopsie-Indikation gestellt werden.

Es ist unter Urologen allgemein bekannt, dass ein Vorgehen nach diesen Vorgaben (insbesondere des PSA Wertes) zu extrem vielen negativen Biopsien führt – negativ bedeutet in diesem Fall ohne den Nachweis eines Karzinoms. Ich verfahre in meiner Früherkennungsuntersuchung nach einem festgelegten und sehr gut funktionierenden Algorithmus.

In der Früherkennungsuntersuchung wird jährlich der PSA Wert bestimmt, die Prostata abgetastet und eine Ultraschalluntersuchung der Prostata durchgeführt. Am häufigsten zeigt sich der PSA Wert durch einen Anstieg von einem Jahr auf das andere auffällig. Als Grenzwert haben ich 0,45 ng/ml Anstieg pro Jahr definiert. Steigt der PSA Wert von einem auf das andere Jahr mehr als um diese 0,45 ng/ml an, dann veranlasse ich eine Kontrolle des Wertes nach vier Wochen und drei Monaten, so dass man sich nicht auf diesen einen „auffälligen Wert“ verlässt und eine PSA-Dynamik feststellen kann. Zeigt sich eine ansteigende Dynamik in diesen PSA Wert Kontrollen oder ist der Tastbefund der Prostata auffällig, so führe ich eine transrektale Ultraschalluntersuchung (TRUS) der Prostata durch und überweise den Patienten anschließend unter Nennung eventuell auffälliger Befunde in der TRUS Untersuchung zum multiparametrischen Magnetresonanztomogramm (mpMRT) der Prostata. Unter Zusammenschau sämtlicher genannter Untersuchungsbefunde stelle ich dann mit dem Patienten gemeinsam die Indikation zur Biopsie der Prostata. Wobei ich wenn immer möglich eine Fusionsbiopsie suspekter Areale (Suspekt im TURS und/oder mpMRT) anstrebe und dabei 10 – 12 Proben aus der Prostata entnehme um ein repräsentatives Bild eines eventuell diagnostizierten Tumors zu erhalten. Die Anwendung dieses Algorithmus führt in den allermeisten Fällen zu einer definitiven Diagnose, so dass unangenehme Re-Biopsien der Prostata vermieden werden.

Wurde bereits eine Biopsie durchgeführt aber kein Karzinom in den Proben nachgewiesen, gucke ich mir genau die Bedingungen unter denen die Biopsie durchgeführt wurde an. Wie hoch und wie stark ansteigend war der PSA Wert; lag ein auffälliger Tastbefund der Prostata vor; wurde eine TRUS und mpMRT Untersuchung mit verwertbaren Ergebnissen durchgeführt; wie viele Proben wurden aus welchen Stellen der Prostata entnommen; wurde eine Fusionsbiopsie durchgeführt; was zeigte die feingewebliche Untersuchung der entnommenen Proben. Zeigen diese Befunde sämtlichst eine lege artis durchgeführte Diagnostik an und eine aktuell durchgeführte Prostatauntersuchung mit PSA, Tastuntersuchung und TRUS erbringt keine neuen, wegweisenden Befunde, dann kontrolliere ich zunächst in kurzfristigen Abständen (3 Monate) die Prostata und reagiere erst wenn sich die erhobenen Werte signifikant verändern mit einer erneuten Biopsie (Re-Biopsie). Zeigt sich bei Überprüfung der stattgehabten Prostatadiagnostik jedoch, dass bestimmte Elemente der Diagnostik nicht lege artis durchgeführt wurden, so wiederhole ich diese Elemente und gebe dann eine Empfehlung entsprechend dem neuen Befund.

Eine weitere Situation, wo die Frage nach einer (zumeist) erneuten Prostatabiopsie aufkommt ist die sogenannte active surveillance Therapie. Diese Beobachtungsstrategie wird angewendet, wenn das Ergebniss einer standardisierten Diagnostik ein insignifikantes Prostatakarzinom ergeben hat. Ein insignifikantes Prostatakarzinom ist basierend auf der deutschen S-3 Leitlinie (Empfehlung 5.8) durch die folgenden Parameter charakterisiert:

a. Voraussetzung für die Wahl einer Strategie der Aktiven Überwachung sollen folgende Parameter sein:

Findet sich eine derartige Konstellation führe ich eine Kontrolluntersuchung der Prostata im active surveillance Modus durch. Dies bedeutet Kontrolle von PSA, Tastbefund und TRUS alle drei Monate. Eine Re-Biopsie der Prostata ist in diesem Modus nach sechs Monaten zwingend vorgesehen. Bleiben alle Befunde weiterhin stabil sind weitere Biopsien der Prostata nach jeweils zwölf bis achtzehn Monaten vorgesehen. Nur unter regelmäßiger Durchführung dieser Kontrollbiopsien ist diese active surveillance Strategie als sicheres Therapieverfahren für ein Prostatakarzinom ohne Bestrahlungs- und/oder Operationsverfahren anzusehen. Verändern sich einzelne Parameter während der Beobachtung ist umgehend eine erneute Kontrollbiopsie der Prostata durchzuführen. Zeigen sich in der feingeweblichen Untersuchung der Proben Veränderungen die von den Kriterien zur Durchführung einer active surveillance abweichen (siehe oben), dann ist umgehend eine definitive Therapie in Form einer Bestrahlung der Prostata oder operativen Entfernung der Prostata einzuleiten.

Hat eine standardisierte Biopsie ein Prostatakarzinom ergeben und es wird zu einer nochmaligen Biopsie der Prostata (außerhalb der active surveillance Strategie) geraten, so ist dies zunächst einmal ungewöhnlich. Ich kann mir lediglich zwei Gründe vorstellen wieso in dieser Situation eine erneute Biopsie notwendig würde:

1. Die erste Biopsie hat Kriterien für eine active surveillance Strategie gezeigt, es wurden jedoch nicht die geforderten 10-12 Proben aus der Prostata entnommen. Zur Sicherung der active surveillance Strategie würde ich in dieser Situation die Biopsie wiederholen um sicher zu gehen, dass die Kriterien für die active surveillance bei der lege artis durchgeführten Biopsie auch weiterhin gegeben sind.

2. Eine experimentelle Therapie für das diagnostizierte Prostatakarzinom soll im Rahmen einer Studie durchgeführt werden und das Studienprotokoll verlangt die Durchführung einer Biopsie in einem gewissen Zeitraum, oder bestimmte frische Gewebeproben für die Durchführung bestimmter Gewebeuntersuchungen.

Wie bereits eingangs erwähnt gibt es bestimmt weitere Situationen in denen die Frage nach der Notwendigkeit einer Biopsie der Prostata aufkommt. Gern stehe ich für die Beantwortung individueller Fragen zur Verfügung, hoffe jedoch im Rahmen dieses Berichtes bereits eine Vielzahl aufkommender Fragen und Unsicherheiten, welche in Zusammenhang mit der Frage nach der Notwendigkeit der Durchführung einer Prostatabiopsie stehen, geklärt zu haben.

Prof. Dr. med. Wolf-D. Beecken

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